Erinnerungen bleiben ein Leben lang

von Angela Stegemann, Nordkurier vom 22.06.2001

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Das vergisst die Elftklässlerin Michelle Putzicha ihr Leben lang nicht. Beim Besuch der Schülerin im ehemaligen Konzentrationslager Ravensbrück erzählte eine Überlebende, dass sie sich bei eisigem Frost draußen hinstellen musste. Sie wurde mit Wasser übergossen und musste stehen bleiben, bis es gefroren war. Dann musste sie sich hinsetzen. Solche Erzählungen Überlebender prägen sich ein. Wohl deshalb auch laden die Präsidenten der Landtage Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg seit 1995 jährlich je eine Klasse aus ihrem Bundesland in die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück ein. Aus dem hiesigen Bundesland waren es in diesem Jahr 18 Schüler der elften Klassen des Pasewalker Oskar-Picht-Gymnasiums.

„Wir haben gefragt, wer Interesse hätte“, erzählt Lehrerin Ellen Wittkopf, die sie begleitete. Einige der Schüler, hatten schon viel über die Nazi-Zeit gelesen oder sich bereits mit den in Pasewalk verlegten Stolpersteinen beschäftigt. „Aber mit Überlebenden zu reden, ist etwas anderes als Unterricht“, steht auch für Patrick Seifert fest. Zwei Tage lang waren die Schüler in Ravensbrück.

Sie trafen nicht nur auf Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider und ihren brandenburgischen Amtskollegen Gunter Fritsch. Auch drei Zeitzeugen waren dabei. Batsheva Dagan wurde als polnische Jüdin nach Auschwitz und Ravensbrück deportiert. Sie verlor ihre gesamte Familie im Holocaust. Zum Kriegsende kam Batsheva Dagan auf dem Todesmarsch gen Westen in das KZ Ravensbrück. Sie lebt heute in Israel. Charlotte Kroll wurde denunziert, als sie einer Fremdarbeiterin half. Die Frau war schwanger und Charlotte Kroll gab ihr Babykleidung. Ilse Heinrich wurde in’s Konzentrationslager verschleppt, weil sie nach Ansicht der Nazis asozial lebte. In Wirklichkeit war sie vor der schweren Feldarbeit bei einem Bauern geflohen. Beide Frauen leben heute in Berlin.

In Ravensbrück wurde den Schülern nicht nur darüber berichtet, was war. Sondern es ging auch um die Frage, was die Ereignisse vor rund 70 Jahren noch die Jugend von heute angehen... Die Elftklässler sind ziemlich still, als sie mit unserer Zeitung darüber reden. Aber nicht, weil sie dazu nichts zu sagen haben, sondern weil es sie sichtlich bewegt. Sie berichten von den noch heute sichtbaren eintätowierten Häftlingsnummern der Überlebenden. Darüber müsse man auch noch mit nachfolgenden Generationen reden, sagen sie. Ellen Wittkopf setzt auf die Wirkung solcher Stunden mit Überlebenden. Diese werden immer kostbarer, sagt sie. „Denn bald gibt es diese Generation nicht mehr.“ Was einmal war, erfährt die Nachwelt aus Büchern – oder aus den Erzählungen der Schüler, die noch mit Zeitzeugen reden konnten. Einige haben sich ein kleines Buch mitgebracht. Batsheva Dagan hat darin in Versform aufgeschrieben, was sie erlebte und wie sie überlebte. „Gesegnet sei die Phantasie – verflucht sei sie!“ heißt es.

 
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